Nutzung datenschutzwidrig erlangter Erkenntnisse in Gerichtsverfahren

Verhaltensbedingte (außerordentliche) Kündigungen basieren oftmals auf Erkenntnissen von Arbeitgebenden, die auf einer Erhebung und Verarbeitung von Daten beruhen. Regelmäßig wird erst durch diese Daten kündigungsrelevantes Verhalten von Arbeitnehmenden sicht- und nachweisbar. Erfolgt die Informationsgewinnung – bei hohem Handlungsdruck und engen zeitlichen Vorgaben – ungewollt unter Missachtung von datenschutzrechtlichen Regelungen, sind die so gewonnenen Erkenntnisse in einem gerichtlichen Verfahren aber nicht zwangsläufig unverwertbar.


Weder das Arbeitsgerichtsgesetz noch die Zivilprozessordnung legen ein ausdrückliches Verbot für die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel fest. Dementsprechend sind auch datenschutzwidrig gewonnene Erkenntnisse nicht automatisch gerichtlich unverwertbar. Eine „Fruit of the poisonous Tree“-Doktrin, nach der rechtswidrig erlangte Informationen nicht verwendbar sind, ist dem deutschen Recht fremd.

Ob Erkenntnisse unverwertbar sind, ist vielmehr stets eine Einzelfallentscheidung. Hierbei ist von dem Gericht abzuwägen, ob die Verwertung der rechtswidrig gewonnenen Erkenntnisse mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Mitarbeitenden zu vereinbaren ist. Ein Verwertungsverbot kommt immer dann in Betracht, wenn eine gerichtliche Verwertung nicht mit dem Schutzzweck der verletzten Normen zum Datenschutz vereinbar wäre. Bei Verstößen gegen solche Normen ist allerdings zu beachten, dass ihr Schutzzweck gerade die Vermeidung von Verstößen ist. Je klarer die rechtswidrige Datenerhebung der Privatsphäre der Mitarbeitenden zuzuordnen ist, desto wahrscheinlicher ist ein Beweisverwertungsverbot.

In diesem Kontext hat das Bundesarbeitsgericht aber auch den Grundsatz „Datenschutz ist nicht Tatenschutz“ aufgestellt, was verdeutlicht, dass es stets einer konkreten Abwägung im Einzelfall bedarf. Dies kann und soll für die Praxis natürlich keine “berechnenden” Datenschutzverstöße der Arbeitgeberseite fördern. Ein umfassender Verlust von Nachweismöglichkeiten ist aber im Falle von – in der Regel ja nicht willentlich begangenen – Datenschutzverstößen im Prozess der Erlangung von Erkenntnissen kein Automatismus.


Halten Arbeitgebende die datenschutzrechtlichen Vorgaben bei der Datenerhebung oder -verarbeitung ein, verstoßen aber gegen die Beteiligungsrechte des Betriebsrats, folgt hieraus ebenfalls nicht zwingend ein Verwertungsverbot. Vielmehr reicht es beispielsweise aus, wenn der Betriebsrat der Verwertung zustimmt und die zuvor angesprochene Einzelfallabwägung zu keinem Verwertungsverbot führt.


In vielen einschlägigen Betriebsvereinbarungen sind Beweisverwertungsverbote vorgesehen, wenn kündigungsrelevante Erkenntnisse unter Verstoß gegen solche betrieblichen Kollektivregelungen gewonnen werden. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu noch keine Entscheidung getroffen. Nach überzeugenderer Auffassung sind Gerichte an eine solche Regelung nicht gebunden, da die Betriebsparteien über keine die Gerichte bindende Regelungskompetenz verfügen. Ob im Falle eines Verstoßes tatsächlich ein Verwertungsverbot vorliegt, ist nach den allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Um bis zur endgültigen und verbindlichen Klärung dieser Frage aber schon das Risiko einer „Unverwertbarkeit kraft Betriebsvereinbarung“ auszuschließen, sollte auf Seiten der Arbeitgebenden alles unternommen werden, solche Regelungen in Betriebsvereinbarungen zu vermeiden.

Eine neue Entscheidung des LAG Niedersachsen (6. Juli 2022 – 8 Sa 1148/20) hat im Gegensatz hierzu allerdings ein Beweisverwertungsverbot aufgrund einer entsprechenden Regelung in einer Betriebsvereinbarung sowie aufgrund datenschutzwidrig erlangter Kenntnisse in Abweichung zu den dargestellten Grundsätzen angenommen. Das BAG hat sich dieser deutlich restriktiveren Auslegung nicht angeschlossen (Urteil vom 29. Juni 2023 – 2 AZR 296/22) und die Entscheidung des LAG Niedersachsen aufgehoben, sodass weder ein Beweisverwertungsverbot in einer Betriebsvereinbarung für die Arbeitsgerichte zu berücksichtigen ist noch etwaig datenschutzwidrig erlangte Erkenntnisse unverwertbar sind.


Rechtswidrig erlangte Erkenntnisse sind im arbeitsgerichtlichen Prozess nicht automatisch unverwertbar. Selbstverständlich sind Arbeitgebende gut beraten, nicht nur zur Risikominimierung penibel auf die Einhaltung des Datenschutzes und ggf. bestehender kollektivrechtlicher Vorgaben in Betriebsvereinbarungen zu achten.