Lange war unklar, welche Vorgaben für die Verarbeitung personenbezogener (Beschäftigten-)Daten auf Grundlage von Betriebsvereinbarungen gelten. Diese Frage beantwortete der Europäische Gerichtshof (EuGH) in dem richtungsweisenden Urteil vom 19. Dezember 2024 (Az. C-65/23).
Das deutsche Arbeitsrecht gewährt Betriebsräten ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Einführung und Anwendung von IT-Systemen. Gerade bei der Nutzung umfassender HCM- oder ERP-Systeme kommt es zu einer Verarbeitung nicht unerheblicher Mengen von Beschäftigtendaten. Daher werden in Betriebsvereinbarungen über die Einführung und Anwendung solcher Systeme nicht selten auch Regelungen zur Datenverarbeitung getroffen.
Die DS-GVO sieht vor, dass Betriebsvereinbarungen als rechtliche Grundlage für eine Datenverarbeitung dienen können. Gemäß Art. 88 Abs. 1 DS-GVO können Kollektivvereinbarungen wie z.B. Betriebsvereinbarungen spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext vorsehen. Den Rahmen für diese spezifischeren Vorschriften setzt Art. 88 Abs. 2 DS-GVO. Danach umfassen die Vorschriften geeignete und besondere Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person.
Unklar war jedoch bisher, ob Betriebsvereinbarungen auch über das im Rahmen der DS-GVO erlaubte Maß an Datenverarbeitung hinausgehen dürfen, ob Arbeitgeber und Betriebsrat also die Kompetenz haben, die Grenzen des EU-Rechts auszuweiten.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) legte dem EuGH daher die Frage vor, ob Kollektivvereinbarungen im Sinne des Art. 88 Abs. 1 DS-GVO lediglich die Anforderungen des Art. 88 Abs. 2 DS-GVO erfüllen müssen, oder ob auch die Vorgaben der Art. 5 (Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten), Art. 6 Abs. 1 (Rechtmäßigkeit der Verarbeitung) sowie Art. 9 Abs. 1 und 2 (besondere Kategorien personenbezogener Daten) der DS-GVO gewahrt sein müssen.
Der EuGH stellte daraufhin klar, dass die spezifischeren Vorschriften, die in Betriebsvereinbarungen erlassen werden können, nicht zur Umgehung der sich aus anderen Bestimmungen der DS-GVO ergebenden Verpflichtungen des Arbeitgebers führen dürfen. Eine andere Auslegung würde das von der DS-GVO bezweckte hohe Schutzniveau für die Beschäftigten im Fall der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext beeinträchtigen.
Das bedeutet unter anderem, dass auch im Rahmen von Regelungen zur Datenverarbeitung in Betriebsvereinbarungen die Grundsätze der Transparenz, der Zweckbindung, der Datenminimierung und der Speicherbegrenzung beachtet werden müssen.
Eines der wesentlichsten von der DS-GVO vorgegebenen Kriterien für die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung ist das Kriterium der Erforderlichkeit. Die Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten ist regelmäßig nur dann zulässig, wenn sie für bestimmte, in der DS-GVO genauer definierte Zwecke erforderlich ist.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben keinen Beurteilungsspielraum dahingehend, welche Datenverarbeitung erforderlich ist. Die Betriebsparteien müssen sich dabei vielmehr streng an den Vorgaben der DS-GVO orientieren.
Der EuGH stellt klar, dass die Frage, ob die in einer Betriebsvereinbarung vorgesehenen Datenverarbeitungen „erforderlich“ im Sinne der Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 und 2 DS-GVO sind, umfassend gerichtlich überprüfbar ist. Halten Bestimmungen in einer Kollektivvereinbarung den vorgegebenen Voraussetzungen nicht stand, so hat das nationale Gericht diese Bestimmungen unangewendet zu lassen.
Das EuGH-Urteil vom 19. Dezember 2024 stärkt den Schutz personenbezogener Daten im Arbeitsverhältnis und stellt klar, dass Betriebsvereinbarungen über die Verarbeitung von Beschäftigtendaten den hohen Anforderungen der DS-GVO genügen müssen. Arbeitgeber müssen bei der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen sicherstellen, dass diese Anforderungen gewahrt sind. Ist das nicht der Fall, kann sich das Unternehmen Entschädigungsansprüchen von Beschäftigten ausgesetzt sehen.