Interviews mit Arbeitnehmenden im Rahmen interner Ermittlungen

Sehen sich Arbeitnehmende dem Verdacht ausgesetzt, eine schwerwiegende Pflichtverletzung oder gar strafbare Handlung begangen zu haben, sind Arbeitgebende angehalten, den Sachverhalt aufzuklären. Dies gilt umso mehr, wenn die Handlungen auch auf die Arbeitgebenden selbst schwerwiegende Auswirkungen in Form von Bußgeldern oder Schadensersatzansprüchen von Kund*innen haben können.


Nach ständiger Rechtsprechung kann schon der dringende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen schwerwiegenden Verfehlung eine (außerordentliche) Kündigung rechtfertigen. Allerdings besteht natürlich auch die Gefahr, dass der Verdacht falsch ist. Daher müssen Arbeitgebende im Vorwege des Ausspruchs einer Verdachtskündigung den Sachverhalt umfassend aufarbeiten. Eine zwingende Voraussetzung ist, die in Verdacht stehenden Arbeitnehmenden vor Ausspruch der Kündigung anzuhören.

Wegen der nicht zu leugnenden Gefahr einer Falschbeschuldigung ist die Verdachtskündigung jedoch nur dann wirksam, wenn Arbeitgebende den verdächtigen Arbeitnehmende die Chance gegeben hat, sich zu den Vorwürfen – gegebenenfalls im Beisein einer Vertrauensperson – zu äußern. Nicht die beschuldigten Arbeitnehmenden trifft also eine Aufklärungspflicht – diese müssen sich nicht selbst belasten –, sondern das Unternehmen.

Eine Anhörung der beschuldigten Arbeitnehmenden kann sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen. Bei einer schriftlichen Anhörung müssen Arbeitgebende den Sachverhalt, der den Verdacht begründet, näher ausführen. Bei einer mündlichen Anhörung müssen Arbeitgebende den genauen Gegenstand des geplanten Gesprächs nicht mitteilen. Es soll eine mögliche Verdunklung durch die beschuldigten Arbeitnehmenden vermieden werden. Im Rahmen der Befragung müssen Arbeitgebende jedoch alle wesentlichen Erkenntnisse offenlegen, aus denen sich der Verdacht gegen die beschuldigten Arbeitnehmenden ergibt. Es muss den Arbeitnehmenden durch die Schilderung des Sachverhalts ermöglicht werden, bestimmte Tatsachen zu bestreiten und zur Aufklärung des Geschehens beitragen zu können.

Für eine außerordentliche Kündigung gilt eine zweiwöchige Kündigungserklärungspflicht gem. § 626 Abs. 2 BGB. Sofern die Kündigung jedoch auf einem Verdacht beruht, fehlt es den Arbeitgebenden regelmäßig zunächst an einer für sicher gehaltenen Kenntnis über den kündigungsrelevanten Sachverhalt. Arbeitgebende müssen zunächst weitere Ermittlungen anstellen. In diesem Zeitraum beginnt die 2-Wochen-Frist nicht zu laufen. Allerdings müssen die Ermittlungen und damit die Anhörung der beschuldigten Arbeitnehmenden zeitnah erfolgen. Die Anhörung sollte daher grundsätzlich innerhalb einer Woche nach erster Kenntnis des Verdachts durchgeführt werden. Die 2-Wochen-Frist beginnt sodann zu laufen, sobald die Kündigungsberechtigten eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis vom Kündigungssachverhalt haben und ihnen die Entscheidung über die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich ist.


Arbeitnehmende, die nicht selbst beschuldigt werden, aber zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen können, müssen hingegen grundsätzlich „Rede und Antwort stehen“. Die Teilnahme an einem Personalgespräch zählt zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten der Arbeitnehmenden. Zumindest dann, wenn das Unternehmen ein schutzwürdiges Interesse an der Befragung hat (etwa: Aufklärung einer Untreue zulasten des Unternehmens) und die Arbeitnehmenden hierdurch nicht übermäßig belastet werden, besteht eine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Auskunft. Andernfalls riskieren die Arbeitnehmenden selbst eine Abmahnung oder Kündigung.

Schließlich: Stellen Arbeitgebende die an die Arbeitnehmenden zu stellenden Fragen formularmäßig zusammen, ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 94 BetrVG zu beachten.


Arbeitnehmende sind ihrem Unternehmen gegenüber grundsätzlich zur Auskunft verpflichtet, sofern ein sachlicher Zusammenhang zur vertraglich geschuldeten Tätigkeit besteht. Etwas anderes gilt aber für Arbeitnehmende, die selbst „ins Visier“ geraten sind. Sie müssen sich nicht selbst belasten. Verweigern sie die Auskunft, so liegt darin kein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten.