Das Bundesarbeitsgericht hatte sich am 29. Juni 2023 (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. Juni 2023, Az. 2 AZR 296/22) mit der Frage zu befassen, ob eine datenschutzrechtswidrige Aufzeichnung aus einer offenen Videoüberwachung, welche ein vorsätzliches und vertragswidriges Verhalten eines Arbeitnehmers belegen soll, ein Verwertungsverbot für einen Kündigungsschutzprozess auslöst (Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts).
Die beiden Vorinstanzen hatten in ihren Entscheidungen (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 06. Juli 2022 – 8 Sa 1149/29 und Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 11. September 2020 – 6 Ca 116/19) sich noch für ein Beweisverwertungsverbot bezüglich der datenschutzrechtswidrigen Videoaufzeichnung ausgesprochen. Nach Ansicht der Vorinstanzen war es dem Gericht verwehrt, die datenschutzrechtswidrigen Videoaufzeichnung zu verwerten, da dies einen erneuten ungerechtfertigten Grundrechtseingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers durch das Gericht darstellen würde. Das Bundesarbeitsgericht widersprach dieser Ansicht und wies die Sache wieder an das Landesarbeitsgericht zurück. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts schließt ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung („DSGVO“) die Verwertung der in Rede stehenden Videoaufzeichnung nicht aus. Dieser Grundsatz gelte jedenfalls dann, wenn – wie in dem zugrundeliegenden Fall – es sich um eine offene Videoaufzeichnung handelt, die ein vermeintliches vorsätzliches vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers beinhaltet. Da nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts die offene Videoaufzeichnung im zugrundeliegenden Fall auch keine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellte, konnte offengelassen werden, ob aus Gründen der Generalprävention ein Verwertungsverbot bezüglich vorsätzlichen Pflichtverstößen anzunehmen war.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts führt die Ansicht des Gerichts im Hinblick auf Beweisverwertungsverboten aus datenschutzrechtlichen Gründen nur konsequent fort. Bereits in einer früheren Entscheidung (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2018, Az. 2 AZR 133/18) hatte das Bundesarbeitsgericht ein Beweisverwertungsverbot, welches sich auf Verstößen gegen datenschutzrechtliche Vorschriften stützt, verneint. Allerdings zeigt dieses Urteil, dass auch im Prozessrecht das Datenschutzrecht zunehmend an Bedeutung für die Frage der Verwertbarkeit von Beweismitteln erlangt (siehe hierzu auch Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Mai 2018, Az. VI ZR 233/17).
Für Unternehmen bleibt damit die offene Videoüberwachung weiterhin eine Möglichkeit der Gefahrprävention. Wie das Urteil des Bundesarbeitsgerichts gezeigt hat, gilt dies nicht nur für externe Gefahren, sondern auch für Gefahren, die aus der Sphäre der eigenen Arbeitnehmer stammen. Zu betonen ist allerdings, dass sich die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf offene Videoüberwachungen beziehen. Für verdeckte Videoaufzeichnungen dürfte die Schwelle des Gerichts bezüglich der Annahme eines Beweisverwertungsverbots, aufgrund des deutlich schwereren Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht niedriger liegen.