Datenschutzrechtliche Zulässigkeit einer Google-Recherche im Bewerbungsverfahren – Anmerkung zu LAG Düsseldorf, Urteil vom 10. April 2024 – 12 Sa 1007/23


Die Parteien stritten über Ansprüche auf materiellen und immateriellen Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Stellenbesetzungsverfahren.

Der Kläger, Volljurist und Fachanwalt für Arbeitsrecht, bewarb sich auf eine befristete Stelle im Justiziariat der Beklagten, einer staatlichen Universität. Der Kläger erhielt jedoch eine Absage und die Stelle ging an eine andere Bewerberin.

Der Grund für die Ablehnung des Klägers lag in einer Google-Recherche, die von einem Mitglied der Auswahlkommission der Beklagten durchgeführt wurde. Diese Recherche ergab, dass der Kläger seinerzeit wegen Betruges in drei Fällen und versuchten Betruges in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt worden war. Der strafrechtliche Vorwurf lautete, der Kläger habe vielfach fingierte Bewerbungen eingereicht, um potenzielle Arbeitgeber anschließend wegen angeblicher Diskriminierung zur Zahlung von Entschädigungen nach dem AGG zu veranlassen. Diese Information war öffentlich zugänglich und in einem Wikipedia-Eintrag über den Kläger vermerkt. Die Beklagte bezog die Information in den Bewerbungsprozess mit ein und entschied daraufhin, dass der Kläger aufgrund der Verurteilung nicht für die Stelle geeignet sei. Im Einstellungsgespräch mit dem Kläger war zwar auch über den besagten Wikipedia-Eintrag, nicht jedoch konkret über die strafrechtliche Verurteilung und ihre Einbeziehung in die Auswahlentscheidung der Beklagten gesprochen worden.

Der Kläger machte aufgrund der Ablehnung seiner Bewerbung neben Schadensersatz wegen Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs sowie einer Diskriminierung durch die Beklagte auch einen jeweils auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO gestützten Anspruch auf materiellen Schadensersatz und immaterielle Entschädigung geltend. Er argumentierte, dass die Beklagte unrechtmäßig personenbezogene Daten über ihn erhoben und verwendet habe, ohne ihn darüber zu informieren.  


Nachdem das Arbeitsgericht Düsseldorf die Klage in erster Instanz abgewiesen hatte, hatte der Kläger mit seiner Berufung vor dem LAG Düsseldorf teilweise Erfolg. Das LAG verneinte zwar einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruches aus Art. 33 Abs. 2 GG. Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Einstellungsverfahrens aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung für die ausgeschriebene Stelle ungeeignet gewesen. Dies ergebe sich daraus, dass die Verurteilung des Klägers einen konkreten Bezug zu dem Aufgabenbereich der streitigen Stelle aufweise. Dieser umfasse nämlich unter anderem die Führung von Rechtsstreitigkeiten und die Mitwirkung in der AGG-Beschwerdestelle.

Zudem sei die Google-Recherche der Beklagten über den Kläger als Datenverarbeitung gestützt auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO rechtmäßig gewesen und führe deswegen nicht zu einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der Verurteilung des Klägers. Bei der Frage, ob mit dem Kläger ein Arbeitsverhältnis begründet werden sollte, handele es sich um eine vorvertragliche Maßnahme i.S.v. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO, welche auch auf Anfrage der betroffenen Person erfolgt sei, da der Kläger mit seiner Bewerbung den Auswahlprozess eigeninitiativ in Gang gesetzt habe. Die Datenverarbeitung sei auch erforderlich gewesen, da diese zweckgebunden zur Feststellung der Eignung des Bewerbers im Rahmen von Art. 33 Abs. 2 GG erfolgt sei.

Das LAG bejahte hingegen einen Verstoß der Beklagten gegen ihre Informationspflicht aus Art. 14 Abs. 1 lit. d DSGVO. Bei einer nicht rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung handele es sich um eine eigene, besonders herausstechende Datenkategorie, über die die Beklagte den Kläger bei Einbeziehung in die Auswahlentscheidung konkret hätte informieren müssen. Hieraus folge zwar kein Beweisverwertungsverbot. Dem Kläger stehe jedoch aufgrund der Verletzung des Art. 14 Abs. 1 lit. d DSGVO ein Entschädigungsanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Höhe von 1.000 EUR zu. Er sei durch die Informationspflichtverletzung der Beklagten unter Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum bloßen Objekt der Datenverarbeitung geworden und habe einen erheblichen Kontrollverlust erlitten. Ein Anspruch auf materiellen Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO stehe dem Kläger mangels kausalen Schadens dagegen nicht zu. Denn die fehlende Information des Klägers ändere nichts an seiner zum Auswahlzeitpunkt bestehenden Ungeeignetheit für die streitige Stelle.


Die Entscheidung des LAG gibt Anlass, sich die Bedeutung der Einhaltung datenschutzrechtlicher Pflichten im Rahmen sogenannter Background-Checks erneut vor Augen zu führen. Potenzielle Arbeitgeber recherchieren regelmäßig über soziale Netzwerke und Suchmaschinen zu Bewerber:innen, um zusätzliche Informationen zu erhalten, die nicht in den Bewerbungsunterlagen enthalten sind. Da bei derartigen Überprüfungen regelmäßig personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO verarbeitet werden, müssen datenschutzrechtliche Bestimmungen eingehalten werden. Dabei ist insbesondere auf das Bestehen einer rechtlichen Grundlage für die Datenverarbeitung sowie die Einhaltung von Informationspflichten gegenüber der betroffenen Person aus Art. 13 und 14 DSGVO zu achten. Andernfalls drohen erhebliche Konsequenzen für Unternehmen – insbesondere im Hinblick auf Schadensersatzansprüche der betroffenen Person gem. Art. 82 DSGVO sowie die Verhängung von Bußgeldern gem. Art. 83 DSGVO.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das LAG die Grundlage für die Datenerhebung im Bewerbungsverfahren in Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO gesehen hat. Auf eine Einwilligung des Klägers kam es somit nicht an. Dies dürfte mit einer Besonderheit des Falles zusammenhängen, da es sich bei der Beklagten um einen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber handelt und das LAG die Erforderlichkeit der Datenerhebung mit Art. 33 Abs. 2 GG begründet hat. Über den Einzelfall hinaus verdeutlicht das Urteil allerdings, dass Arbeitgeber im Allgemeinen Ergebnisse aus Internetrecherchen über Suchdienste wie Google nur dann verwerten dürfen, wenn dadurch keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der Bewerber:innen beeinträchtigt werden und der Arbeitgeber an der Datenerhebung ein berechtigtes Interesse hat. Dies ist nur bei solchen Daten der Fall, die einen Bezug zu der zu besetzenden Stelle aufweisen und konkret etwas über die Eignung des Bewerbers aussagen. Auch dürfen über Suchmaschinen keine Informationen gewonnen werden, die über das Fragerecht des Arbeitgebers in einem Vorstellungsgespräch hinausreichen.

Arbeitgeber müssen daher streng darauf achten, dass bei der Internetrecherche ausschließlich Daten verarbeitet werden, die einen eindeutigen sachlichen Bezug zur Stelle haben. Nutzen sie zur Informationsgewinnung neben den Bewerbungsunterlagen und dem Bewerbungsgespräch weitere Quellen, ist die betroffene Person hierüber zu informieren. Da im Rahmen von Background-Checks personenbezogene Daten gerade nicht direkt bei der sich bewerbenden Person selbst erhoben werden, müssen Unternehmen den Informationspflichten aus Art. 13 DSGVO und Art. 14 DSGVO nachkommen. Nicht nur vor dem Hintergrund denkbarer prozessualer Verwertungsrisiken, sondern insbesondere auch mit Blick auf potenzielle Schadensersatzansprüche und drohende Bußgelder in erheblicher Höhe sollte daher bei der Durchführung von Internetrecherchen zu potenziellen Bewerbern stets eine sorgsame Datenschutz-Compliance erfolgen.